Lars Mytting – Die Birken wissen’s noch

Über die unfassbare Schönheit verletzter Bäume, das mysteriöse Verschwinden eines Dreijährigen, einen Sarg im Gudbrandsdal, einen verbotenen Wald an der Somme und ein Bootshaus auf den Shetland Inseln.

Einige Eisenbänder konnten die Birken hinter dem Hirifjell Hof sprengen, die meisten aber sind tief in die Stämme eingewachsen. Narben im Holz haben sie alle hinterlassen. Vor langer Zeit hat Edvards Großonkel Einar den Bäumen die Verletzungen beigebracht, um Flammbirke herzustellen, ein Holz, das je nach Lichteinfall und Schnitt zu lodern scheint. Aber bevor Einar die Birken fällen und weiterverarbeiten konnte, verschwand er in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Sverre, Einars Bruder und Edvards Großvater hat dieses Stück Wald danach nie wieder betreten, im Gegensatz zu einem Unbekannten, der vier Birken fällte, um einen Sarg für ihn zu tischlern.

Die neun Nussbäume der Familie Daireaux stehen dagegen nicht mehr in dem verminten Wald an der Somme. Auch sie wurden einst verwundet und ihr Holz geflammt. Wer sie fällte und was aus dem äußerst wertvollen Holz wurde, weiß niemand. Ebenso wenig, warum Edvards Eltern den gesperrten Wald betraten und dabei ums Leben kamen als Edvard drei Jahre alt war. Vielleicht hätte sein Großvater Sverre ihm mehr erzählen können, wenn er gewollt hätte, aber er hat sein Leben lang geschwiegen.

Nach der Trauerfeier findet Edvard in einer Schreibtischschublade verschiedene Dokumente und Schlüssel, die die Tür in die Vergangenheit einen winzigen Spalt breit öffnen. In der Hoffnung mehr über seine Eltern und ihr Schicksal zu erfahren, folgt Edvard den Spuren, die ihn auf die sturmumtosten Shetland Inseln führen. Zu seinem großen Erstaunen scheinen dort Menschen seit Jahren auf ihn gewartet zu haben. Vor allem die resolute Gwen, deren Familie Einar hier einst ein Stück Land verpachtete.

In Einars verwitterten Bootsschuppen unter einem Stapel Torfsoden entdeckt Edvard schließlich einen schwarzen Sarg mit dem Kleid seiner Mutter und er versteht, dass die Geschichte, die während des Ersten Weltkrieges in Frankreich begann, noch nicht zu Ende ist. Erst muss noch gefunden werden, was verschwunden ist.

Wer Lars Myttings »Die Birken wissen’s noch« lesen will, sollte sich vorher einen bequemen Sessel und ausreichend Tee oder Kaffee besorgen. Der Roman ist so spannend und mitreißend geschrieben, dass man ihn nur äußerst ungern vor der letzten Seite aus der Hand legt. Mit den vielen überraschenden Wendungen, den sinnlichen Landschaftsbeschreibungen und seinen tragischen Figuren ist es genau die Sorte Buch, die einen einsaugt und am Ende beglückt wieder ausspuckt. Wunderschöne Sätze, wie dieser, tun ihr übriges: »Der Verschluss gab ein kurzes Flüstern von sich, wie es die Leica macht, wenn sie etwas das ist, in etwas verwandelt, das war.


Cover Lars Mytting, Die Birken wissen's noch

Lars Mytting
Die Birken wissen’s noch
Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
ISBN 978-3-458-17673-2
Insel Verlag

2 Antworten zu „Lars Mytting – Die Birken wissen’s noch“

  1. Der Roman hat mir auch sehr gut gefallen, eine ganz besondere Geschichte wunderbar erzählt. Ich kann mich da Deinen Worten, man solle es sich bequem machen, nur anschließen. Viele Grüße

    1. Vielen lieben Dank. Und bald wird das Wetter noch mehr zum Einkuscheln und Lesen einladen.