Maja Lunde – Die Geschichte der Bienen
Ein Glücksgriff
»Die Geschichte der Bienen«, bzw. »Bienes historie«, habe ich letzten Sommer in Oslo erstanden. Leider bin ich nicht so häufig in Norwegen, wie ich es mir wünschen würde, was mir die Entscheidung, welche Bücher ich dort kaufen soll, nicht gerade einfach macht. Hinzu kommt, dass die Reisekasse auch noch für Essen und Unterkunft reichen muss und wir einen Kleinwagen fahren und keinen Transporter. Da will die Auswahl klug getroffen sein. »Die Geschichte der Bienen« erschien mir allerdings zwingend, weil der U4-Text eine äußerst interessante Geschichte versprach, der Roman von einer Autorin geschrieben ist und mich das melancholische, warme Cover sofort angesprochen hat. Und tatsächlich habe ich diesen Kauf nicht bereut.
Ohne Bienen keine Menschen
Maja Lundes Roman handelt von der Abhängigkeit des Menschen von den Bienen, denn ohne diese faszinierenden Insekten gäbe es keinen Honig und kaum Obst und Gemüse. Wie prekär die Existenz des Menschen ohne Bienen ist, erlebt Tao im Jahre 2098 in China. Mit ihrem Mann Kuan und ihrem dreijährigen Sohn Wei-Wen lebt sie am Rande einer riesigen Obstplantage. Zusammen mit vielen anderen Arbeiterinnen bestäubt sie tagtäglich die Blüten der Obstbäume per Hand. Es ist eine mühsame Arbeit, jede Blüte und jede Frucht sind deshalb Gold wert. Wer durch Unachtsamkeit einen Zweig abbricht, wird mit Lohnabzug bestraft. Das Essen ist streng rationiert und nur selten ordnet das Komitée einen freien Tag an. An solch einem Tag geschieht etwas Furchtbares für Tao, das den anderen Hoffnung bringt.
Eine neue Bienenbeute
246 Jahre vorher plant der gescheiterte Biologe William eine neuartige Bienenbehausung, die ihn reich und berühmt machen soll. Diese neue Bienenbeute (wie es im Fachjargon heißt), soll den Imkern einen einfachen Zugang zu Bienen und Honig ermöglichen und helfen, die Zucht zu verbessern. Immer wieder versucht William seinen Sohn Edmund für das Projekt zu begeistert. Vergeblich. Edmund studiert lieber den Alkohol und die Frauen. Erst spät bemerkt William, dass eigentlich seine Tochter Charlotte der kluge Kopf der Familie ist. Letztendlich ist sie es, die den entscheidenen Hinweis für die gelungene Konstruktion liefert.
CCD
Ebenfalls angespannt ist die Beziehung des Imkers George zu seinem Sohn Tom. George wünscht, dass Tom das Familienunternehmen weiterführt, während Tom an der Universität sein Talent für das Schreiben verfeinern möchte. Während George seinen Sohn mit allen Mitteln zu überzeugen versucht, verschwinden seine Bienenvölker spurlos. Colony Collapse Disorder heißt das Phänomen, das 2007 viele Imker in den USA in die Insolvenz treibt. Auch George fällt die Entscheidung, ob er die Bienenzucht aufgeben soll oder nicht, nicht leicht.
Das Prinzip Hoffnung
Die große Stärke dieses Romans liegt aber nicht allein in seiner historischen Spannbreite, den miteinander verflochtenen Familiengeschichten und der akribisch recherchierten Darstellung der Bienenzucht, sondern vor allem in seiner überbordenden Empathie und dem Plädoyer für das Prinzip Hoffnung. So dunkel die Zeiten auch sein mögen, es gibt immer die Chance auf einen Neuanfang. So bewältigt William 1852 seine tiefe Depression durch das Bienenstockprojekt. Tom nimmt 2007 zusammen mit seinem Vater den Kampf gegen das Bienensterben auf und schreibt das Buch, das Tao helfen wird, alte Fehler zu vermeiden, als 2098 die Bienen zurückkehren.
Maja Lundes grandiose Geschichte der Bienen ist jetzt auch in Deutschland erschienen und ich beneide alle, die dieses Lesevergnügen noch vor sich haben und / oder die Autorin auf der Leipziger Buchmesse erleben dürfen.
Eine weitere Besprechung ist auf dem Blog Zeichen & Zeiten erschienen.
Maja Lunde
Die Geschichte der Bienen
Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein
ISBN 978-3-442-75684-1
btb Verlag
5 Antworten zu „Maja Lunde – Die Geschichte der Bienen“
Ein Buch, auf das ich mich in diesem Frühjahr besonders freue. Weil es wieder einmal ein Roman aus Norwegen ist und weil ich dieses Thema sehr interessant und wichtig finde. Sehr schön, dass Du das Interesse für das Buch weckst. Nun bin ich umso mehr gespannter. Viele Grüße
Ja, das Thema ist wirklich wichtig, vom CCD hatte ich vorher ehrlich gesagt noch nichts gehört. Ich bin schon neugierig, wie es Dir gefällt. Viele Grüße.
Abschnitt: Ohne Bienen keine Menschen – Bitte noch einmal nachdenken oder nachschlagen, Bienen haben nichts mit der Befruchtung der Getreidesorten zu tun. Getreide vermehrt sich durch Wind- oder Selbstbestäubung.
Danke für den Hinweis und den Kommentar.