Jesper Wung-Sung – Weg mit Knut

Freund oder Feind?

Selten war ich so froh schon am Anfang eines Buches das Ende zu kennen. »Er wird gesund.« steht im Klappentext und genau dieses Wissen macht die Lektüre von Jesper Wung-Sungs Jugendbuch »Weg mit Knut« erträglich. Wie sonst könnte man es aushalten von einem kleinen Jungen zu lesen, dessen bester Freund gleichzeitig sein größter Feind ist? Wir nennen es Krebs, William nennt ihn Knut.

Eines Tages hat Knut an Williams Fenster geklopft und um Einlass gebeten. Seitdem hat sich für William alles verändert. Nicht weil Knut behauptet Stabhochspringer in Nepal gewesen zu sein und Dampfschifffahrtskapitän auf dem Mississippi und Ballonfahrer auf dem Rhein. Nein, Williams Leben hat sich verändert, weil Knut jeder Chemotherapie zu trotzen scheint. Und auch wenn Knut William mit seinen wilden Geschichten immer wieder zum Staunen und Lachen bringt, leidet William sehr darunter nicht mehr so zu sein, wie die anderen Kinder.

Anderssein als die anderen

Immer wenn William wieder einen Zyklus überstanden hat und nach Hause darf, raten ihm die Ärzte, sich wie ein ganz normaler Junge zu verhalten. Aber wie man das macht, erklärt ihm keiner. Für die Schule ist William noch zu schwach, sein Schwarm Katrine ist nur aus Mitleid und Neugier mit ihm zusammen. Sein bester Freund Sebastian ist ihm fremd geworden und sein Lieblingsessen Krosser Schweinebauch mit Petersiliensoße schmeckt auch nicht mehr.

Mit seinen Eltern kann William darüber nicht reden, schließlich ist seine Krankheit, also er, daran Schuld, dass seine Mutter keine Bücher mehr liest und sein Vater im Wohnzimmer auf dem Sofa schläft. Nur Knut, ausgerechnet Knut, hilft ihm mit seinen wilden Ideen sich ein bisschen lebendiger zu fühlen. Ohne Knut wäre William nie auf den Baum des Nachbarn geklettert, wäre er nie vor einem Kampfhund auf ein Dach geflüchtet. Ohne Knut hätte William auch nie sämtliche Blumen und Sträucher in Albertines Garten umgepflanzt.

Ein Hoch auf das Leben – Weg mit Knut

Und doch muss William den frechen Jungen mit dem perfekten Seitenscheitel und den coolen Sneakers umbringen. Denn Knut ist der weiße Scheiß.
Dieses Dilemma steht eigentlich für das gesamte Buch. Hier ist nichts, aber auch gar nichts, schwarz-weiß, gut oder böse, weder Knut noch William, noch Williams Eltern oder Klassenkameraden. Man könnte sagen, es ist ein zutiefst menschliches und auch realistisches Buch. Es ist ein Hoch auf das Leben, ein Plädoyer für Unfug und ein Glück, dass Jesper Wung-Sung das Buch geschrieben hat. Ich hoffe sehr, dass noch weitere Bücher von ihm in der Übersetzung von Friederike Buchinger folgen und viele mutige LeserInnen finden.

Eine weitere Besprechung auf diesem Blog: Jesper Wung-Sung, Opfer – Lasst uns hier raus!


Cover Jesper Wung-Sung, Weg mit Knut

Jesper Wung-Sung
Weg mit Knut
Aus dem Dänischen von Friederike Buchinger
ISBN 978-3-446-25495-4
Carl Hanser Verlag