Anne Østby – Zartbitter ist das Glück

Nur Mut

»Traut ihr euch? Wagt ihr es? Werdet ihr Salami und Jarlsbergkäse gegen Kakao und Kokosnüsse eintauschen? Könnt ihr euch vorstellen, eine Schokoladenmanufaktur zu gründen?« Kats Einladung an ihre vier Schulfreundinnen zu ihr auf die Fidschis zu ziehen, weckt lang verdrängte Sehnsüchte. Sollen sie die Chance ergreifen und noch einmal ganz neu anzufangen, weit entfernt von ihren Familien, mit Mitte sechzig?
Tatsächlich findet jede der Frauen sehr schnell einen guten Grund, um die Koffer zu packen und Norwegen hinter sich zu lassen.

Ingrid

Ingrid, die pensionierte Finanzchefin der Osloer Busgesellschaft, hat die abenteuerlustige Kat seit jeher bewundert. Gerne wäre sie schon damals mitgegangen als Kat und Niklas zu ihrer nie endenden Weltreise aufbrachen, von einem Hilfsprojekt zum nächsten. Aber wäre das vernünftig gewesen? Nein. Und getraut hat sie sich auch nicht. Aber jetzt nach all den Jahren zwischen verstaubten Aktenordnern und Registern hat ihr ungestümes alter ego Wildrid das Kommando übernommen. Und siehe da, auf Fidschi sind sogar große Füße nützlich.

Sina

Für die mürrische Sina ist der Neuanfang auf Fidschi die einzige Möglichkeit ihren gierigen Sohn auf Abstand zu halten. Jahrelang hat sie geschuftet, um sich und Armand durchzubringen. Aber Armand ist nie selbstständig geworden, hat nie eigenes Geld verdient. Ihres hingegen hat er immer wieder in windige Geschäfte investiert, die nie eine Chance auf Erfolg hatten. Jetzt ist Sina am Ende ihrer Kräfte und finanziellen Mittel. Und Armand bettelt schon wieder.

Lisbeth

Lisbeth hat sich bislang für eine Gewinnerin gehalten. Schließlich hat sie sich den reichen Baumarkterben Harald Høie geangelt, dank ihrer schlanken Taille. Aber Schönheit ist vergänglich und je öfter Harald spitze Bemerkungen über ihren hängenden Hintern macht, desto größer werden Lisbeths Zweifel. Gerne hätte sie sich in der Marketingabteilung seiner Firma engagiert. Das Wissen und Gespür für Trends hätte sie gehabt, aber Harald wollte seine Frau nun einmal lieber hinter dem Herd sehen als am Schreibtisch.

Maya

Die kluge und belesene Maya hingegen kämpft mir ihrer beginnenden Demenz. Nur Kat weiß, wie es um sie bestellt ist. Und sie will ihrer Freundin das Erlebnis Fidschi unbedingt gönnen, die Menschen, Pflanzen und Farben, die Maya in unzähligen Bildern festhält. In der kleinen Maraia findet Maya neben den anderen eine stille und aufmerksame Freundin, die sie bis zum Ende begleitet.

Kat

Und Kat freut sich über das Gelingen dieser ungewöhnlichen Wohngemeinschaft. Denn trotz aller Gegensätze finden die Frauen nicht zuletzt über die Schokoladenproduktion einen guten Weg miteinander zu leben.
Nach Niklas’ tragischem Tod war Kat wie gelähmt, ohne Antrieb oder Ziel. Hätte ihre Haushälterin Ateca ihr nicht geraten, das stille Haus mit Schwestern zu füllen, sie würde wahrscheinlich noch immer lethargisch auf der Veranda sitzen.
Die Begeisterung ihrer Freundinnen für Kats Chocolate ist mitreißend. Kat kann sich diesem Elan einfach nicht entziehen. Und sie staunt, wie sie alle mit dem Geschmack von Erfolg auf der Zunge noch einmal erblühen.

Der Geschmack von Glück

Das Glück besteht für Kat und ihre Freundinnen aber nicht nur in dem Erfolg ihrer Schokoladenmanufaktur, sondern auch in der fidschianischen Lebensart. Hier dürfen ihre Hüften breit und ihre Haare grau sein. Hier wird grundlos laut gelacht und vergeben und vergessen. Und das Alter ist mitnichten ein Hinderungsgrund für Liebe und Sex. Aber auch wenn sich das paradiesisch anhört, wird im Verlauf der Geschichte deutlich, dass alles seinen Preis hat. Auch das Glück.

»Zartbitter ist das Glück« ist ein herzerwärmender Roman, der trotz seiner Sinnlichkeit und seiner Empathie völlig frei von Kitsch ist. Anne Østby beschreibt ein Paradies mit Ecken und Kanten und verschweigt auch nicht die hohe Jugendarbeitslosigkeit oder die prekäre medizinische Versorgung auf den Inseln.
Gerade solche dunklen Stellen verleihen dem Roman eine zartbittere Note und befreien ihn von dem Verdacht, seicht und süßlich zu sein. Wer wie Anne Østby von Frauen, Schokolade und Palmen erzählen kann ohne ein einziges Mal in den Klischeenapf zu treten, der kann wirklich gut schreiben, finde ich.


Cover Anne Østby, Zartbitter ist das Glück

Anne Østby
Zartbitter ist das Glück
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
ISBN 978-3-336-54791-3
Wunderraum Verlag

2 Antworten zu „Anne Østby – Zartbitter ist das Glück“

  1. Ich habe dieses Buch jetzt mehrfach in den Händen gehabt. Irgendwie kam ich trotz der norwegischen Autorin nicht so recht ran. Zu kitschig erscheint mir das Cover. Schön, dass Du das Buch davon freisprichst. Deshalb behalte ich es mal im Hinterkopf. Viele Grüße

    1. Und mich freut es, dass ich Deine Neugier doch ein bisschen wecken konnte. Viele Grüße