Ingvar Ambjørnsen – Aus dem Feuer

Über einen Bestsellerautor im freien Fall, seine schlagkräftige Geliebte, den Mann am Tisch (MAT), skandalhungrige Medien und eine gehörige Portion Realitätsverlust.

Keiner in Norwegen verkauft mehr Krimis als Alexander Irgens. Keiner ist bei Buchhändlerinnen und Leserinnen beliebter als er. Keiner wird von Journalisten und Rezensenten mehr beneidet und hofiert als der geniale Erfinder von Stig Hammer. Alexander Irgens hat das geschafft, wovon viele träumen, mit Schreiben Geld zu verdienen, viel Geld.

In seltenen Momenten kann sich Alexander noch daran erinnern, wie es war, als seine sprachlich ausgefeilten Novellen vom Feuilleton hochgelobt, aber von niemandem gekauft wurden. Wie er als freier Journalist mit Ach und Krach das Geld für die Miete und einen Joint zusammenkratzen konnte. Wie er am liebsten im Boden versunken wäre, als seine Schwiegereltern in spe, die renommierte Schauspielerin und der steinreiche Makler, ihn eines splitterfasernackt auf ihrem Landsitz begrüßten. Wie verliebt er damals in Ada war. Heute verspürt er nur noch einen Hauch von Irritation, wenn er an seine gerade verstorbene Schwiegermutter oder seine trauerden Ehefrau denkt. Schließlich wird in Kürze sein neuer Krimi erscheinen.

Anlässlich der Buchpremiere hat sich die Marketingabteilung seines Verlag etwas ganz besonderes ausgedacht. Zwölf Buchhändlerinnen, die an einem Preisausschreiben teilgenommen haben, werden zu einem Krimi-Dinner geladen. Das Opfer ist Alexander Irgens höchstpersönlich. Alles klappt wie am Schnürchen. Bestens gelaunt trifft man sich abends in einer Bar wieder, um den Erfolg zu begießen. Nur Vilde, Alexanders Geliebte, die den Tag allein im Hotelzimmer verbracht hat, ist sichtlich genervt von all den Menschen, die ihn umschwirren und um seine Aufmerksamkeit buhlen. Als sich dann auch noch ein besonders hartnäckiger Fan (der übliche Mann am Tisch) ungefragt auf ihren Platz setzt, reißt ihr der Geduldsfaden. Sie schlägt den Mann krankenhausreif und der Skandal ist perfekt.

Der Medienrummel, der jetzt losbricht, ist sogar für einen Alexander Irgens zu viel. Hastig packt er seine Koffer und taucht ab. Erst verbringt er ein paar Tage auf Island, dann reist er weiter nach Hamburg und Schwerin. Er besucht Freunde, betrinkt sich und ist vor allem nicht für Ada, seine Frau zu sprechen. Als sich der Sturm gelegt zu haben scheint und sein neuer Krimi wieder einmal die Bestsellerlisten stürmt, kehrt Alexander Irgens nach Norwegen zurück. Mit fatalen Folgen, ganz besonders für ihn.

In »Aus dem Feuer« schildert Ingvar Ambjørsen auf herrlich pointierte Weise den norwegischen Literaturbetrieb, der dem deutschen nicht ganz unähnlich ist. Besserwisserei, Arroganz und maßlose Überschätzung der eigenen Wichtigkeit sind auch hierzulande in der Branche nicht ganz unbekannt. Wie auch die ewige Diskussion, was literarisch wertvoll ist und was nicht.
Erzählt wird Alexander Irgens tiefer Fall in dem unnachahmlichen Ambjørnsen/Haefs-Sound, der mich schon in dem vorherigen Buch »Die Nacht träumt vom Tag« so mitgerissen und beeindruckt hat. Denn trotz der harten Handlung gibt es leise Zwischentöne und formvollendete Naturbeschreibungen, die den Roman unglaublich vielschichtig machen. Ein Leseerlebnis der ganz besonderen Sorte.


Cover Ingvar Ambjoernsen, Aus dem Feuer

Ingvar Ambjørnsen
Aus dem Feuer
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
ISBN 978-3-96054-012-0
Edition Nautilus