Maria Antas – Wisch und weg
Meine Mutter hat neulich einen Umzugskarton gefunden, den ich vor 25 Jahre gepackt und nie wieder geöffnet habe. Vermisst habe ich ihn nie, weshalb ich umso gespannter war, welche Schätze ich da wohl wieder finden würde. Neugierig fing ich an zu wühlen und zu niesen. Ein paar Federn hatte sich im Laufe der Jahre in kleinste Partikel aufgelöst, die jetzt in einer bunten Wolke aus dem Karton aufstiegen. Nach einem kleinen Staubsaugerintermezzo setzte ich die Durchsuchung des Kartons fort und fand: einen alten Lippgloß mit Vanillegeschmack, Parfümproben, eine Marionette, ein Handarbeitskörbchen, einen angefangenen Häkelpullover samt Anleitung aus den 80ern und eine halbautomatische Strickliesel. Jeder einzelne Gegenstand löste ein Flutwelle an Erinnerungen und Emotionen aus. Es war wunderbar. Danach habe ich alles wieder hübsch in den Umzugskarton gepackt und ihn zurück auf den Dachboden gestellt, denn ich kann mich, wie Maria Antas, nicht von meinem Gerümpel trennen.
In »Wisch und weg« beschreibt sie hinreißend, wie sich die Dinge in ihrem Haushalt explosionsartig vermehren, weil sie es einfach nicht über das Herz bringt, Sachen auszusortieren, fortzugeben oder wegzuwerfen. Sie könnten ja noch einmal nützlich sein. Überhaupt habe ich an sehr vielen Stellen bejahend genickt, zustimmend geschmunzelt und herzhaft gelacht. Ihre Feststellung, dass Wohnzeitschriften einem das Leben schwer machen, ja sogar Atemnot verursachen, weil »sie die Ästhetisierung des Privaten zur Norm erheben«, kann ich nur unterschreiben. Maria Antas erinnert mich aber auch daran, dass nicht nur eine Wohnung sondern auch der Computer ab und an aufgeräumt werden sollte. Was schlummert da nicht alles an SPAM im E-Mail-Postfach.
Putzen ist ein universelles Thema, putzen muss man, ob man will oder nicht. Und es wirft eine Menge Fragen auf. Brauche ich eine Putzfrau? Oder betrachte ich das Reinigen der Küche als Meditation? Wer in der Familie putzt was? Staubsauger oder Mopp? Zeitungspapier oder Microfasertuch? Habe ich schon einen Putzfimmel oder ist tägliches Putzen noch normal? Während sich Maria Antas mit diesen und anderen Fragen beschäftigt, streut sie kleine Anekdoten, Kulturhistorisches, Philosophisches und Wissenschaftliches mit ein. Sie denkt über Bazillen und Allergien nach, erzählt von der Martha-Bewegung in Finnland, die bei uns ihr Pendant im deutschen Hausfrauenbund hat. Und sie beleuchtet die unterschiedlichen Betrachtungsweisen von Staub. Sie zitiert Filme und Bücher (unter anderem Downtown Abbey und Karl Ove Knausgård) und wissenschaftliche Untersuchungen zur optimalen Anbringung des Klos (an der Wand, nicht am Boden, so kommt man mit dem Lappen auch an die entlegenste Fliese). Wer sich übrigens beim Putzen dieses Örtchens und seiner Umgebung schon mal einen Hexenschuss geholt hat, weiß um die Sinnhaftigkeit dieser Forschung.
Das Schönste am Putzen ist jedoch die Nachwonne, wie Maria Antas betont, die Freude über den sauberen Fußboden oder die glänzende Küchenspüle, das wohlige Gefühl, wenn man sich am Abend in das frischbezogene Bett kuschelt, der streifenfreie Blick durchs Fenster bei einer entspannenden Tasse Tee. Herrlich. Ein Kunstwerk wird das Buch durch die hinreißenden Illustrationen von Kat Menschik und die fabelhafte Übersetzung von Ursel Allenstein.
Und jetzt wird geputzt.
Maria Antas
Wisch und weg
Ein Buch über das Putzen
Aus dem Finnlandschwedischen von Ursel Allenstein
Mit Illustrationen von Kat Menschik
ISBN 978-3-458-17629-9
Insel Verlag